Alpen
Vom Wallis in die Provence
Wallis – Lavaux – Saint-Loup
St.- Gingolph, 9 Uhr Morges: im Schnee fahren wir los und sind uns schon bald im Klaren, dass diese Reise einiges mehr beinhalten wird als nur zu Trampen und zu Klettern. Der Beweis: Bereits eine halbe Stunde nach dem Start stehlen wir in Les Grangettes vor der erster Brücke mit Treppe. Dank des Schnees sind wir gezwungen, die Velos zusammen die Rampe nach oben zu hieven. Dies mag das erste Hinderniss sein, aber sicher nicht das Letzte. Um 11 Uhr kommen wir in Vevey an und Maxence bietet uns in der Confiserie „Hokta“ ein Gebäck und einen Kaffee zur Stärkung an. Mit neuen Elan nehmen wir die vielen Aufstiege und Abfahrten in den Weinbergen entlang des Genfersees in Angriff. Und stehen schon bald vor den nächsten Hindernis: Die Strasse ist zur Sanierung gesperrt und uns stehen zwei Optionen zur Verfügung: entweder machen wir der Umweg mit gut 100 Höhenmetern oder wir stossen die Velos zusammen über die Stützmauer. Kurzerhand entscheiden wir uns für die zweite Variante, heben die schwer beladenen Velos auf die Mauer und stossen sie gemeinsam an der Baustelle vorbei. Mit dem Gepäck sind wir nicht nur langsamer, auch jedes kleine Hinderniss, und sei es nur eine Treppenstufe, wird rasch zur Herausforderung. Aber wir geniessen diese langsame Art zu Reisen. Die folgenden Kilometer bis nach Lonay fliegen rasch dahin und am Ende dieses ersten Tages erwartet uns ein herzlicher Empfang, eine Dusche und ein warmes Bett bei unserem Freund Duje. Und mit Freude lassen wir den signierte Backstein als Andenken zurück.
Doch das Programm für die folgenden Tage ist ungewiss. Da Asien seine Grenzen in diesem Jahr wahrscheinlich nicht öffnen wird, haben wir schon früher an Alternativen gedacht. Doch nun haben auch Deutschland, Österreich und Frankreich die Massnahmen verschärft und unsere Pläne durcheinander gebracht. Bis wir also Antworten von den verschiedenen Botschaften und Ministerien erhalten, bleiben wir einige Tage in La Sarraz und klettern in Saint-Loup. Doch so ohne weiteres Ziel ist es schwierig die Motivation zu behalten und am zweiten Morgen in Saint-Loup hat Bertrand die zündende Idee: „Wir rufen Patou an!“. Dank Patou und dem französischen Sportministerium haben wir genügend Informationen, um unsere Reise in Frankreich zu beginnen. Mit einen Berufsattest (professionelle Sportler ^^ ) und der Gutmütigkeit der Polizisten bei einer allfälligen Kontrolle können wir wahrscheinlich die Begrenzung durch den 10 Kilometer Radius um das Domizil umgehen.
Via Rhona
Und so verlassen wir Saint- Loup am 10. April, fahren bis nach Versonnex und dürfen die Nacht bei Patou und seiner Familie verbringen. Für den nächsten Tag hat der Wetterbericht gegen Abend stärkere Niederschläge angekündigt und so installieren wir unser Zelt bereits nach 35 km beim Belvédère von Leaz. Das schlechte Wetter bringt der Vorteil, dass wir auch an diesem tendenziell touristischen Ort unser Zelt schon früh aufstellen können. Und nach diesem Abend wissen wir auch, dass Kochen im Vorzelt sehr gut funktioniert und es eine gute Entscheidung war, in ein Zelt mit 3 Plätzen zu investieren.
Am kommenden Morgen fahren wir im Regen los und folgen der Via Rhona. Das Wetter trocknet schnell ab und sobald die grossen Steigungen hinter uns sind, kommen wir rasch vorwärts. In Seyssel hätten wir auch schon die erste Begegnung mit zwei Polizisten gehabt, wäre es nicht Zeit fürs Mittagessen gewesen: Die beiden haben uns gesehen und müssen schnell begriffen haben, dass wir bereits mehr als 10 km zurückgelegt haben. Doch zu unseren Glück waren sie auf den Weg, das bestellte Mittagessen abzuholen und haben uns keine weitere Beachtung geschenkt. Wir haben keine 100 prozentige Garantie, dass unser Attest akzeptiert wird: wenn wir eine Busse erhalten, kostet diese rund 125 € pro Person und sollten die Diensthabenden einen wirklich schlechten Tag haben, kann es passieren, dass wir am nächsten Bahnhof den Zug nehmen müssen und gezwungen sind, Frankreich zu verlassen.
Für den Rest des Tages lassen wir uns von Rückenwind vorwärtstreiben. Bei La Mollarde dürfen wir im Garten einer älteren Dame unsere Wasserreserven auffüllen und stellen kurz später unser Zelt entlang der Rhone auf. Ob wir nach dem Bad in der Rhone wirklich sauberer waren als davor, darüber lässt sich streiten…
Die folgenden Tage sind schön und windig. Wir haben das Glück, dass der Wind aus Norden weht und wir fast immer in Genuss von Rückenwind kommen. Einzig während den rund 40 km vor Balme La Grotte fahren wir westwärts und haben mit einem hartnäckigen Gegenwind zu kämpfen. Als dieser überstanden ist, treffen wir auf einen Velofahrer, einen pensionierten Polizisten, der uns ein Stück weit begleitet und die Umleitung der Via Rhona zeigt. Zum Abschied wünscht er uns alles Gute und ermutigt uns für unser Vorhaben: “das Leben ist zum Leben da!“. Und wir haben jetzt ein gutes Argument, sollten wir trotz der Diskretion in einer Kontrolle landen. Dies feiern wir am Abend mit einem Bier aus der Brasserie „La Bressane“
Am fünften Tag nach unserer Abfahrt in La Sarraz durchqueren wir Lyon. Wir versuchen die Stadt rasch hinter uns zu lassen, auch wenn ich gerne ein bisschen länger geblieben wäre. Dennoch legen wir zwei kurze Stopps ein: der Erste, um einen Platten in meinen Hinterrad zu flicken und der Zweiten, um neue Gaskartuschen für den Campingkocher zu kaufen. Der Veloweg nach Lyon ist gut ausgeschildert und schön gemacht. Um Lyon in Richtung Süden zu verlassen, fahren wir durch die Vororte von Lyon bis nach Vernaison. Dabei müssen wir mehrere Kilometer stark befahrenen Strassen folgen, teilweise ohne Veloweg. Nach einer langen Suche nach einem Brunnen schlagen wir das Zelt auf der Rhoneinsel bei Vernaison auf. Die Covid- Massnahmen zwingen uns zwar zur Diskression und den Verzicht darauf, die einzelnen Städte auf unseren Weg zu besichtigen und in Restaurants zu verweilen, bringen aber den grossen Vorteil, dass wir unser Zelt auch an populären Orten aufschlagen können, da mit der Ausgangssperre ab 19 Uhr niemand mehr unterwegs ist.
In der folgenden zwei Tagen durchqueren wir diverse Obstplantagen, Weinreben und traversieren unzählige mahle die Rhone. Die flachen Strecke und der starke Nordwind erlauben uns ein rasches Vorwärtskommen und so fliegen die Kilometer dahin. Dennoch profitieren wir praktisch jeden Morgen von einer der vielen Bäckereien und gönnen uns jeweils ein „Znüni“. In Pierrelatte verlassen wir die Via Rhona und fahren der letzten Abschnitt bis nach Saint-Léger-du-Ventoux. In Vaison-la-Romaine kaufen wir Vorräte für die Klettertage und nehmen die letzten Kilometer unter die Räder.
Saint-Léger-du-Ventoux – Mollans-sur-Ouvèze
Am 17. April um 17 Uhr kommen wir in Saint-Léger an und freuen uns auf einen gemütlichen Abend im Biwak Le Jardin Singulier. Doch was folgt ist eine Ernüchterung: Hier ist es aufgrund der Gefahr von Überschwemmungen nur Leuten im Van oder Wohnmobil erlaubt zu bleiben. Zum Zelten gibt es keine offiziell erlaubten Plätze. So „verstecken“ wir uns für diese Nacht im Wald und haben das Glück, für die kommende Woche die letzte freie Unterkunft im Gîte Bergerie des Salamandres zu ergattern.
Nun können wir uns vollständig aufs Klettern konzentrieren und Michiel, Patron der Bergerie, bietet uns sogar an, die Einkäufe zu bringen, so dass der Einkauf mit den Velo nicht zum Tagesprogramm wird.
Wir bleiben gut eine Woche zum Klettern in Saint-Léger und profitieren vom guten Wetter. Obwohl wir noch viele Ideen haben und interessante Routen hätten klettern können, ziehen wir weiter und schlagen unser Zelt im Camping Les Castors bei Pierrelongue auf. Von hier haben wir einen direkten Fussweg zum Klettergarten von Mollans. Die Felsen fristen ein kleines Schattendasein gegenüber Saint-Léger, auch wenn sie eine unglaubliche Vielzahl an Möglichkeiten und Felsformationen aufweisen, vor allem in den höheren Schwierigkeitsgraden (ab 7c). Viele der Routen wurden erst vor Kurzem eröffnet und während zwei langen Klettertagen konnten wir viele super Routen klettern. Wir freuen uns zu sehen, welches Potenzial noch in diesen Felsen steckt!
In den nächsten Tagen müssen wir aber vermehrt mit Niederschlägen rechnen, doch dies kommt gelegen, denn so haben wir Zeit, die Fotos zu sortieren, von unseren Erlebnissen zu berichten und die Einkäufe zu erledigen.
Kontakt: info@theotherwayaround.ch