Segelschiff und zurück nach Europa

Leg 1 – Sint Maarten bis Azoren

Vor der Abfahrt der Twister haben wir einen Tag in der Karibik. Wir haben ein kleines Apartment oben an Hügel gemietet und schnell haben wir auch wieder das hiesige «Collectivo» System begriffen, was viel günstiger und einfacher ist als die Taxis. Und so machen wir einen morgendlichen Ausflug zu den weissen Stränden und dem türkisblauen Meer. Und es ist wirklich wie auf den Reiseprospekten, mit den Palmen, dem Strand, den Drinks und dem Ambiente. Am Nachmittag treffen wir bereits ein paar Leute, welche mit uns auf dem Schiff mitgefahren werden und helfen bei der Ernte von Gemüse (vor allem Federkohl) welchen wir anschliessend auf dem Schiff mitnehmen werden. Was beim tropischen Klima durchaus seine Herausforderung mit sich bringt.

Am nächsten Morgen, dem 16. März wird es dann ernst: für die nächsten 40 Tage wird die Twister, ein 36 m langer Schooner mit zwei Masten, unser zuhause sein. Und der heutige Tag ist unsere Möglichkeit, uns mit dem Schiff vertraut zu machen, unsere Kabinen zu beziehen und das Wichtigste bezüglich der Sicherheit an Bord zu lernen. Unsere Velos (immer noch schön verpackt) haben auf einem der Betten der Dreierkabine Platz, ein Angebot von Ocean Nomads zur Unterstützung unseres Projekts!

Unsere Reise mit der Twister wurde von Ocean Nomads organisiert und hat die Idee, dass Leute, die keine Erfahrung mit Segeln haben, oder die Gelegenheit haben möchten, eine Atlantiküberquerung zu machen, auf einem Schiff mit professioneller Crew mitzufahren und bei den verschiedenen Aufgaben zu helfen. Wir sind also 17 Leute, 5 davon bilden die Crew.

Am nächsten Morgen um 5:30 machen wir das Schiff für die Abfahrt bereit: Anker hissen, Fensterluken schliessen, Tarp versorgen und sobald wir den Hafen verlassen haben, Segel setzen. Der Wind setzt uns direkt auf die Probe: wir haben Wellen aus 2 verschiedenen Richtungen und für uns «Ungeübte» ist der beste Platz bald oben auf dem Heck, mit Blick auf den Horizont und einer grossen Portion Kontrolle über das Wohlbefinden des Magens. Es geht praktisch allen so, ausser der Crew. Nach 88 Seemeilen erreichen wir die Britisch-Virgin-Islands, wo wir im Windschatten einer Bucht ankern und die Nacht verbringen. Am nächsten Tag warten wir lange, bis wir die Erlaubnis erhalten, an Land zu gehen, dann aber profitieren Bertrand und ich von einer letzten Gelegenheit, um zu klettern: Strand-bouldern unter Palmen, in weissem Sand und türkisblauem Meer. Der folgende Morgen besteht darin, dass wir das Schiff für die Atlantikquerung bereitmachen und im Laufe des Nachmittags geht’s los: für die kommenden 17 Tage wird uns nur noch Wasser umgeben; nichts als Wasser und Himmel. Und für die ersten Tage, die Seekrankheit.

Unser Tagesablauf folgt dem Rhythmus der Schichten: wir sind in Gruppen eingeteilt, jede Gruppe hat jeweils am Tag und in der Nacht 4 Stunden Wachschicht, alle 2 Stunden gibt es ein Schichtwechsel. Eine Schicht heisst, dass wir am Ruder stehen, Segel setzten oder herunternehmen und unseren Kurs stündlich im Logbuch eintragen. Daneben hat jede Gruppe regelmässig Küchendienst: Vorberieten, Kochen, Servieren und Abwaschen. Wir haben dank der Entsalzungsanlage zwar genügende Wasser, da sich Küche jedoch nicht kardanisch aufgehängt, wodurch die Töpfe jeweils gegen die Wellen und das Krängen gesichert werden müssen. Und wenn es passiert, dass das Schiff über längere Zeit krängt, macht es Sinn, die Lasagne im Ofen «schräg» einzuhängen. Und eines lernen wir sehr schnell: nichts wird einfach so schnell irgendwo hingestellt; andernfalls ist der Kaffee in der nächsten Sekunde am anderen Ende des Raums. Und auch alle Türchen und Schubladen werden vorteilhaft gesichert.

Je nach Wetter kann eine Schicht oder ein Tag auf See sehr gemütlich ausfallen: wir wechseln uns ab beim Steuern, erzählen Geschichten oder trinken Tee, lesen oder nehmen uns Zeit zum Kochen. Dann und wann erscheint auf dem Radar jedoch ein «Squall», ein Regenschauer. Dann heisst es, möglichst rasch die Segel herunternehmen, denn in der Nähe dieser Schauer können starke Winde auftreten.

Und dann sind da die Nachtschichten. Was uns im Vorfeld Bedenken bereitet hat, hat sich zu etwas vom Schönsten unserer Reise verwandelt: Das Gewölbe des Sternenhimmels erstreckt sich über den gesamten Horizont, 360° grad, wir sehen jeden Stern auf oder untergehen, die Milchstrasse zieht sich über den Himmel wie ein leuchtender, tiefer Nebel und während das Schiff durchs schwarze Wasser pflügt, beginnt in der Bewegungen der Wellen dem Plankton zu leuchten. Wenn der Himmel bedeckt ist, ist die Nacht von einer absoluten Dunkelheit, einzig unterbrochen durch die Signallichter in Rot und Grün auf der Seite unseres Schifft. Und in solchen Momenten, ist der Radar unsere einzige Möglichkeit, einen allfälligen «Squall» frühzeitig zu erkennen, um die Segel herunterzunehmen. Das Leben folgt nur noch dem Tageslauf, wir befinden uns abseits von allem, Internet oder Verbindung zum Festland gibt es nur für die tägliche Wetterprognose und für den Notfall, das Telefon ist irgendwann im Zimmer vergessen. Hin und wieder sehen wir Wale und Delfine, die entweder nur kurz neben uns auftauchen oder uns ein paar Minuten begleiten.

Und dann gibt es da doch immer wieder ein paar stürmische Tage, an denen das Kochen schwierig wird, wir uns anbinden, sobald wir auf Deck sind und an denen jeder Handgriff noch länger dauert. Doch erst, nachdem wir die Azoren wieder verlassen haben, wird es richtig sportlich, obwohl unser Kapitän einen gemächlichen Kurs ansteuert und lieber einen halben Tag mit Motor durch eine Flaute fährt, als dass wir zu stark in einen Sturm geraten.

In der Nacht vor unserer Ankunft auf Faial, sind Bertrand und ich dabei, die Jib-Segel zu setzen, als unter dem Netz des Bugs eine Gruppe Delfine auftaucht: der Mond spendet gerade genügend Licht und während unseres Schiffs dahingleitet, fliegen wir mit den Delfinen übers Wasser, lassen uns Tragen und Verzaubern! Und irgendwann in den Morgenstunden taucht am Horizont der Vulkan Pico auf! Die Azoren!

Leg 2 – Azoren bis Frankreich

Nach über 2 Wochen auf See fühlt es sich seltsam an, wieder auf festem Boden zu stehen, doch da wir am gleiche Abend noch ausgelassen feiern, heben sich der Alkoholgehalt und die «Seebeine» gegenseitig auf und stabilisieren. Wir verbleiben 3 Nächte im Hafen, machen die Kabinen für die neuen Mitreisenden bereit und füllen einige Lebensmittelreserven nach. Am zweiten Tag profitieren Bertrand und ich von einer Inselrundfahrt mit E-bike hoch zum Caldera von Faial und sind begeistert vom Farbspiel, den Hügeln und der Abwechslung, denn am nächsten Morgen werden wir uns wieder auf den Weg Richtung europäisches Festland machen.

Am 8. April geht unsere Reise weiter: die nächsten 10 Tage umgibt uns erneut Wasser; dieses Mal mit bedeutend rauerem Wetter, kälteren Temperaturen und mehr verlängerten Schichten. Der Seegang füllt während 8 Tagen nicht tiefer als 3 Meter, wodurch bei allen Tätigkeiten an Bord kaum eine stille Minute einkehrt. Einige der neuen Leute kämpfen mit der Seekrankheit, und aufgrund des ständigen Wellengangs gibt es 2 weitere Personen, die sich leichte Verletzungen zuziehen. Dies heisst, mehr Unterstützung von denjenigen, die sich fit fühlen, und den konstanten Gedanken, alles immer und überall zu befestigen: Pfanne, Kaffeetassen, Wasserkocher, Besteckschubladen, … und sich immer mit einer Hand festhalten.

Bertrand und ich sind zwischenzeitlich von der Seekrankheit geheilt und helfen bei den Schichten aus, wo einige Leute ausgefallen sind, und geniessen das raue Wetter und die Möglichkeit, immer wieder etwas Neues zu lernen. Der Höhepunkt der Querung des Tiefdruckgebiets bringt eine zusätzliche Überraschung: eine Welle schwappt just in dem Moment über Bord, als die Türe in den Betriebsraum geöffnet ist, und ergiesst sich über den Stromgenerator: den Strom, der noch in der Batterie gespeichert ist, müssen wir für die Navigation und den Radar sparen, die Wasserpumpe und die elektronischen Küchengeräte werden abgestellt. Das heisst auch, dass wir kein fliessendes Wasser an den Wasserhähnen und in der Toilette haben. Im ersten Moment machen Bertrand und ich genau mit dem weiter, was wir begonnen haben: Sandwich fürs Nachtessen streichen und die hungrige Gruppe um den Tisch versorgen. Und dann ist die Hälfte der Gruppe in den Kajüten verschwunden: es verbleiben noch 2 Personen, welche der Crew beim Steuern helfen und 6 weitere Leute, darunter Bertrand und ich, welche das Nötigste zusammensuchen, damit mindestens die Toiletten wieder gespült werden können und etwas Trinkwasser vorhanden ist. Wir sind alle müde, doch in der Situation finden uns wir in einer Komik wieder, so dass wir uns irgendwann vor Lachen nicht mehr halten können. Als wir in der gleichen Nacht zu unserer Nachtschicht aufstehen, läuft der Generator wieder; unser Schiffsingenieur hat die wichtigsten Elemente trocknen können und am nächsten Morgen legt sich der Sturm.

Als wir uns dem Ärmelkanal nähern, flaut der Wind endgültig ab und wir fahren mit Motor und Autopilot. Wo unsere Schichten bis jetzt immer daraus bestanden haben zur Steuern, die Segel zu bedienen und nach «Squalls» Ausschau zu halten, müssen wir jetzt vor allem auf die Containerschiffe und Fischerboote Acht geben. Lange ist nicht klar, wo wir anlegen sollen, und wir müssen auch beachten, dass die Häfen aufgrund der Gezeiten nur zu gewissen Zeitfenstern angefahren werden können. Und dann erreichen wir kurz vor Mitternacht Fécamp, in der Normandie. Wir legen in Mitten des Dörfchens an, und feiern ausgiebig unsere Ankunft.

Die Normandie !

Wir bleiben 3 Tage in Fécamp, in der Hoffnung auf bessere Windverhältnisse, um nach Amsterdam zu segeln. Für uns sind es 3 Tage Ferien in der Normandie, und wir merken auch, dass wir das europäische Leben, und vor allem die französische Küche vermisst haben! Die 3 Tage in der Normandie vergehen rasch: wir helfen bei kleinen Reparaturen am Schiff mit, laufen nach Étretat und geniessen jeden Morgen ein frisches Baguette.

Als der Wind sich nicht wirklich drehen will, und unser Terminplan doch zum Aufbruch ruft, verlässt die Twister am Morgen des 21. Aprils Fécamp. Da wir mit Motor und Autopilot fahren, gibt es nicht viel mehr zu tun, als unser Katapult fertig zu bauen und die faulen Eier über Bord zu katapultieren. Uns erwartet ein letzter, richtig kitschiger Sonnenuntergang auf See, bevor wir kurz vor Mitternacht des 22. Aprils Amsterdam erreichen. Und eine dritte Ankunft feiern, welche gleichzeitig auch den Anfang des Endes unserer gesamten Reise aufzeigt.

Zurück auf dem Velo: von Amsterdam nach Berdorf und klettern in Bergdorf

Mit einem kleinen Kater bauen wir am nächsten Morgen unsere Velos zusammen, bevor wir am Nachmittag eine Tour durch Amsterdam machen, bevor wir am Abend mit Ed, unserem Schiffsingenieur, sehr solid in den Ausgang gehen. Der kommende Tag erwartet uns in Grau und mit Regen. Wir packen alles zusammen, räumen die Kabinen, geben alles Material, welches wir nicht benötigten Nytia mit, welche diese nach Lausanne mitnimmt und um 13.00 Uhr verabschieden wir uns endgültig: Das Leben auf dem Schiff weicht wieder dem Velo und dem Zelt, die Navigation richtet wich wieder nach den Strassen, und nur der Wind bleibt ein ständiger Begleiter. Und als wir am gleichen Abend zum ersten Mal seit fast 50 Tagen wieder im Zelt schlafen, fühlt es sich an, als hätten wir nie etwas anderes gemacht.

Der Nordwind, der uns auf dem Ärmelkanal das Segeln verhindert hat, bläst und nun quer durch die Niederlande nach Süden. Das Land ist wirklich so flach, wie uns immer erzählt worden ist und jeder Aufstieg auf ein Flussdamm ist definitiv eine Abwechslung. In Velno dürfen wir bei Marnix übernachten, den wir in Geykbayiri kennengelernt haben. Wir kommen in den Genuss des Luxus von einem richtigen Bett, einer richtigen Dusche und einer Küche, in der sich nicht alles von alleine bewegt! Unser Weg führt uns durch Belgien nach Luxemburg, wo wir sehnsüchtig das Klettern in Berdorf erwarten.

Wir haben 2 Wochen zum Klettern in Berdorf eingeplant, und für die ersten 5 Tage ist das Wetter sonnig und trocken. Doch als allererstes machen wir einen Pausetag und einen grossen Einkauf, mit all den europäischen Lebensmitteln, die wir vermisst haben! Und am nächsten Tag erwartet uns die ersehnte Kletterei am Sandstein. Die Routen sind sehr vielfältig und strukturiert, und nach unserer langen Kletterpause sehr vielversprechend, doch irgendwie haben wir Mühe, wieder in Form zu kommen. Die Kraft und Ausdauer haben doch gelitten, und dann taucht da doch je länger, desto stärker diese Fünkchen Heimweh auf. Seit über 2 Jahren sind wir nun unterwegs und «zu Hause» ist irgendwie ganz nahe. Als dann auch noch das Wetter regnerisch wird, und sich am Wochenende vor jeder Route eine Wartschlange bildet, brechen wir nach 4 Tagen in Berdorf wieder auf, für eine letzte Etappe.

 

Nach Hause

Wir verlassen Berdorf am Morgen des 5. Mai, und folgen zuerst der Saar, vorbei an Sandsteinbrüchen und Stahlindustrie, immer wieder von Regenschauern und Wind begleitet. Mal übernachten wir auf dem Camping, dann wild (inkl. einem Wildschwein, welches ums Zelt streicht). Sobald wir Frankreich erreichen, queren wir die Vogesen und folgen der «Route du Vin». In Obernai und Colmar gibt es je einen Abend mit elsässischen Spezialitäten. Entlang dem Rhein erreichen wir nach 4 Tagen Basel, und ab hier werden wir jeden folgenden Abend von Freunden und bekannten Gesichtern erwartet, bis wir schlussendlich in Siders von unseren Familien und Freunden zum Apero erwartet werden.

Es war ein langsames Heimkommen, welches dann noch seine Zeit benötigt hat, auch wenn wir uns sehr schnell wieder an den Luxus gewöhnt haben, dass die Dusche, dass Bett und der Kühlschrank sich unter dem gleichen Dach befinden!

Kontakt: info@theotherwayaround.ch