Alpen
Von Ceüse nach Imst
Ceüse – Embrun – Col de Montgenèvre – Susa – Como
Wir brechen unser Zelt in Les Guerins ab und fahren einem sonnigen Tag entgegen. Mit der Abfahrt nach Gap fahren wir auch wärmeren Temperaturen entgegen; es ist Sommer geworden. Von Gap geht’s aufwärts Richtung Briançon. Da wir seit gut drei Wochen nicht mehr auf dem Velo gesessen sind, ist es uns recht, dass die heutige Etappe nur bis Embrun führt. Hier hat uns Bertrands Bruder eine Nacht im Hotel offeriert, seit 40 Tagen ist dies die erste Nacht in einem richtigen Bett und wir nutzen die Gelegenheit für ein feines Nachtessen im «Les curieux Gourmands», einen Restaurant welches wir bei unseren letzten Besuch in Ceüse entdeckt haben. Nach den Kaffee diskutieren wir noch lange mit der Besitzerin des Restaurants und schlussendlich bietet sie uns an, einen Tag länger in Embrun zu bleiben und bei ihr zu Hause zu übernachten. Und so kommt es, dass wir am folgenden Morgen die wohl kürzeste Etappe unserer Reise fahren: rund 300 m vom Hotel zu ihrem Apartment. Wir nutzen der Tag zum Schreiben, entdecken der Markt und die Altstadt und diskutieren bei Tee und Schokolade mit unserer Gastgeberin. Auch wenn wir hier bestens aufgehoben sind, zieht es uns weiter. Bevor wir Frankreich hinter uns lassen, legen wir einen Kletterstopp im Riff d’Oriol ein. Die Routen verlaufen durch stark geschichteten Fels, in einer engen Schlucht mit einem kleinen Fluss, der selbst bei heissen Temperaturen für Abkühlung sorgt, was dem Telefon von Arline jedoch nur bedingt gefällt… Am nächsten Morgen besorgen wir uns in Briançon einen Covid-Test und ein neues Telefon und fahren am Mittag des 14. Juni über den Col de Montgenèvre nach Italien.
Die Abfahrt nach Susa geht von alleine und mit der Abfahrt steigen die Temperaturen. In Susa gönnen wir uns ein Gelati, fahren am Dörfchen Salbertrand (dreckiger Bertrand) vorbei und können die Pasta und Holzofenpizza schon riechen. Wir realisieren bald, dass auch wir uns in einen Ofen befinden, im Unterschied zur Pizza jedoch zum Niedergaren während mehreren Tagen. In San Diedro fragen wir einen älteren Herrn, wo wir unser Zelt aufstellen können und er lädt ein, uns unter den Obstbäumen in seinem Garten niederzulassen. Er bringt uns Salat, Radieschen und Erdbeeren und wir kratzen unsere Italienischkenntnisse zusammen, um ein wenig miteinander plaudern zu können. In dieser und den kommenden Nächten kühlen die Temperaturen praktisch nicht ab, die Luftfeuchtigkeit ist hoch und sobald die Sonne weg ist, kommen die Mücken. Wir fühlen uns wie in den Tropen und die einzige wirkliche Abkühlung und gleichzeitig der beste Mückenschutz ist der Fahrtwind auf den Velo. Von San Diedro brechen wir früh auf, um von den etwas kühleren Morgenstunden zu profitieren, fahren vorbei am Kloster San Michele, dem Wahrzeichen des Piemonts, traversieren Turin und Chivasso und wollen unser Zelt entlang dem Canale Cavour aufschlagen. Beim Nachtessen kommt ein Spaziergänger vorbei und plaudert eine Weile mit uns. Schlussendlich rät er uns davon ab, hier zu zelten und lädt uns ein, das Zelt bei ihm im Garten aufzuschlagen. Wir begleiten Leone nach Verolengo, er erzählt uns von seiner Arbeit als Tierschützer und kocht uns am nächsten Morgen Kaffee.
Bald fahren wir durch die Reisfelder der Po-Ebene, traversieren Vercelli und Novarra und wissen nun auch, woher die ganze Luftfeuchtigkeit kommt: in der Poebene wird auf rund 120’000 Hektaren Reis angebaut, der zum grossen Teilen im Wasser steht. Wir fahren praktisch durch einen grossen See, von wo die Feuchtigkeit aufsteigt und jeweils erst am Nachmittag einige Sonnenstrahlen durchbrechen lässt. Es ist ungewohnt, in diesem tropischen Klima und fernab von Hügeln und Bergen zu sein. Wir folgen dem Labyrinth durch die Reisfelder, kommen aber nicht drum herum, doch noch ein Kilo Carnarolireis zu kaufen. In der letzte Nacht, bevor wir den Ticino erreichen, ist an schlafen nicht zu denken, es ist zu heiss und zu klebrig. Umso mehr schätzen wir den kleinen Regenschauer am nächsten Morgen und sobald wir die Alpen sehen, trocknet die Luft ab und fühlen wir uns schon wieder etwas wohler. In Como nehmen wir für zwei Nächte ein Hotelzimmer, wo wir endlich wieder einmal gut schlafen, und mit Arlines Schwester einen gemütlichen Tag verbringen. Wir kühlen uns im See ab und tanken neue Kräfte für den letzten Teil bis ins Val di Mello.
Como – Bormio – Umbrailpass – Vinschgau – Imst
Die Fahrt entlang den Lage di Como und durchs Veltlin ist einmalig und schön. Wir fahren hoch ins Val di Mello und sind fasziniert von den imposanten Felswänden. Das Wetter erlaubt uns jedoch nicht, unsere Pläne umzusetzen, wir geniessen dennoch die Umgebung, gehen einen Tag mit Leuten aus den Camping bouldern und einen Tag in den Klettergarten. Früher als geplant verlassen wir das Val di Mello und fahren weiter entlang den Veltliner- Veloweg Richtung Bormio. Nach zwei Velotagen mit eher wenigen Kilometern kommen wir auf den Campingplatz von Tola an. Hier dürfen wir unsere Velos und das Material lagern und mit leichten Gepäck in die Ferienwoche aufbrechen: Per ÖV traversieren wir Norditalien erneut und treffen im Aostatal unsere Freunde für ein gemeinsames Wochenende im Forte di Macchabi. Anschliessend verbringen wir einige Tage mit Bertrands Eltern in der Toscana, bevor wir am 1. Juli zurück ins Veltlin fahren.
Ausgeruht und aufgefuttert nehmen wir am nächsten Tag der Aufstieg zum Umbrailpass mit rund 1500 Höhenmetern in Angriff. Die Steigung verlangt uns einige Anstrengung, doch die Landschaft und der Ansporn der anderen Velofahrer lassen uns die Müdigkeit vergessen. Die Abfahrt ins Val Müstair ist rassig und in Santa Maria kaufen wir die vermissten Schweizer Lieblingsnaschereien. Am nächsten Tag fahren wir durchs Vinschgau, vorbei an Blumenfeldern und schönen Häusern und über den Reschenpass nach Österreich. Wir realisieren erst im Restaurant in Nauders bei einem Glas Almdudler, dass wir in Österreich nicht nur einen Covidtest für die Einreise, sondern für sämtliche Aktivitäten des öffentlichen Lebens vorlegen müssen. Und selbstverständlich kommen wir am Sonntag an, wenn alle Apotheken geschlossen sind. Wir finden schlussendlich doch die nötigen Informationen und Selbsttests und können unser Basecamp auf dem Activcamping in Imst aufschlagen. Von hier aus werden wir in den kommenden Wochen das Tiroler Oberland erklettern.
Immer wieder treffen wir auf die Wassertankstellen wo wir frisches Trinkwasser auffüllen können. Teilweise gibt es für 5 Cent pro Liter auch Wasser mit Kohlensäure
Der Veloweg führt durch den Einschnitt der Aufräumarbeiten des Felssturzes von Sant’Antonio Morignone, der sich im Julj 1987 ereignete und grosse Teile des Dorfes unter sich begraben hat
Mit der Ankunft im Österreich endet auch unser Amuse-Bouche. Die Runde über Frankreich und Italien wäre eigentlich nicht geplant gewesen, aufgrund der sanitären Massnahmen im Frühjahr wollten wir uns jedoch nicht zu weit von der Schweiz entfernen. Wir waren positiv Überrascht von der Qualität und der Ausschilderung der Velowege in Frankreich und Italien. Und entgegen den Warnungen zum Fahrstiel der italienischen Autofahrern haben wir als Velofahrer einen hohen Standard genossen und uns auf den Strassen und in den Städten immer respektiert und sicher gefühlt. Ab jetzt werden wir unserem Anfänglichen Plan folgen und freuen uns auf das weitere Abenteuer.
Kontakt: info@theotherwayaround.ch