Montenegro & Albanien 

Die Ankunft in Montenegro

Die Zollformalitäten an der Grenze sind schnell hinter uns gebracht und auf uns wartet eine hügelige Landschaft. Auf der Strecek von Deleuša nach Nikšić fahren wir ein Stück weit auf dem Highway M6. Der Name hört sich schlimmer an als effektiv erlebt, denn der Pannenstreifen ist breit und selbst die Lastwagen überholen mit grosszügigem Abstand. Bei der Ankunft in Nikšić verbringen wir eine Weile auf der Suche nach einer geeigneten Unterkunft in der zweitgrössten Stadt Montenegros. Nach einer weiteren erfolglosen Anfrage spricht uns ein Barbesitzer Mut zu: «If you can’t find anything, let me know. I will find you a place to stay». Die nächste Anfrage ist erfolgreich und wir finden eine Unterkunft in einer einfachen kleinen Wohnung, wo wir drei Velofahrer aus Frankreich kennenlernen, die ebenfalls auf dem Weg nach Griechenland sind. Am nächsten Morgen folgen wir den Hügeln zum Kloster von Ostrog. Die Felsen, an die sich die Einsiedelei des Klosters schmiegt, erstrecken sich über mehrere Kilometer, sind praktisch nicht zum Klettern erschlossen und versprechen ein enormes Potenzial. Und auch die Boulderer kommen nicht zu kurz, denn am Wandfuss stehen zahlreiche Blöcke, bereit entdeckt zu werden. Während wir daran vorbeifahren und uns mit den Höhenmetern abmühen, diskutieren wir, wo wir bei einem nächsten Besuch mögliche Linien eröffnen könnten. Und wir kommen zu einer Erkenntnis: Während unserem Aufenthalt in Bosnien- Herzegowina hat uns das enorme Potenzial zum Klettern überrascht, doch auch hier in Montenegro finden wir wahre Perlen von Felswänden, die noch weniger erschlossen sind als in Bosnien. Die Zeit vergeht schneller bei einer spannenden Diskussion und bald erreichen wir Smokocać, ein Canyon, rund 5 km vom Zentrum von Podgorica entfernt, wo sich auch die Mehrheit der Klettersektoren Montenegros befindet. 

Klettern in Smokocać

Die Felswände rund um Smokocać wurden erst vor wenigen Jahren eingerichtet und bergen noch unzählige Möglichkeiten, doch die Ruhe im Tal wird in den kommenden Jahren mit der Fertigstellung der Autobahn vorbei sein. Wir treffen hier wieder die beiden Waadtländer Delphine und Dilan, und lernen Flo und Etienne kennen, zwei Franzosen, die hierhergekommen sind, um der lokalen Kletter- Comunity bei der Routensanierung zu helfen und neue Routen zu bohren. Und wir treffen auch Rebekka und Tobi wieder, die wir vom Drill and Chill in Bosnien kennen. Es ist fast schon wie an einem Klassentreffen. Dabei lässt Ficlek, der Besitzer des Campings, keine Gelegenheit aus, uns mit lokalen Spezialitäten zu verwöhnen, seien es Uštipci, eine grosse Portion Suppe an einem besonders kalten Morgen oder Berge von Omelett, frittierten Auberginen und Zucchetti. Auch wenn es dem Campingplatz etwas an Charme und Morgensonne mangelt, profitieren wir von den 20 Minuten Zustieg zu Fuss und der guten Gesellschaft.
Die Felswand von Smokocać beherbergt wenige einfache Routen und wird vor allem ab dem 6b / 6c interessant. Die Kletterei bietet reihenweise Sinter und überhängende Routen bis zum 8b+. Die Routen lassen unser Herz höherschlagen und wir nuten das Schönwetterfenster von 4 Tagen, klettern eine grosse Menge an Routen im 6. und 7. Grad und machen uns mit dieser Kletterei in 3 Dimensionen vertraut.  

Unterwegs nach Albanien durch die umwerfende Landschaft Montenegros

Nach 4 schönen Klettertagen drückt endgültig die Kaltfront herein und beschliesst sich längerfristig zu installieren und wir entscheiden, uns auf den Weg nach Albanien zu machen. Gut eingepackt machen wir uns im Regen auf den Weg Richtung Süden. Ihr habt vielleicht bemerkt, dass wir oftmals bei Regen unterwegs sind; aus einem einfachen Grund. Wir nuten das schöne Wetter, um am trocknen Felsen zu klettern. Falls wir einige regensichere Sektoren finden, überbrücken wir die Regentage gerne dort, andernfalls ziehen wir in Hoffnung auf besseres Wetter weiter. Und einer guten Regenjacke von Norrona macht Velofahren sogar bei Regen Spass. Auf dem Weg aus Podgorica bleiben wir trotz guter Ausrüstung nicht vor Agraffen, Scherben und Dornen verschont: bis heute waren wir stolz, 3’000 km ohne Platten gefahren zu sein; und heute erwischt es uns gleich drei Mal… Nach den Reparaturen fahren wir entlang dem Fluss Crnojević durch eine wilde und einzigartige Landschaft, bevor wir den Ufern des Skodar Sees bis an die albanische Grenze folgen. Der Nebel, der Regen und die vereinzelten Sonnenstrahlen zaubern eine unvergessliche Stimmung in der Landschaft. Und nach zwei Tagen Velofahrt und einer Reihe von Foto- Pausen und Stopps, um Marroni zu sammeln, kommen wir am albanischen Zoll an. 

 

Albanien, eine andere Welt

Auf der anderen Seite der Grenze treffen wir eine andere Welt an; eine Welt, in der alles nach einem eigenen Gesetz zu laufen scheint, aber sehr wohl funktioniert, und wo wir uns sehr schnell wohlfühlen. Auf der Strasse treffen wir wieder mehr Velos, wenn auch aus einer anderen Generation; aber die beiden Räder halten alles zusammen. Und die Velofahrer grüssen uns mit einem grossen Lachen, während sie alles Mögliche transportieren: Lebensmittel, Gasflaschen oder Hühner im Käfig. Wer weder ein Auto noch ein Mofa oder Velo besitzt, ist zu Fuss unterwegs und transportiert die Wahren auf einem Esel oder Pferdewagen. Immer wieder treffen wir auf Hirten, die ihre Truthähne über die Weiden führen und fast schon an die Hirten in den Alpen erinnern. Die Strasse ist dreh- und Angelpunkt des öffentlichen Lebens: hier wird geschwatzt, gehandelt, Hühner und Schweine verkauft und Essen angeboten. Auch wenn die Nacht früh hereinbricht, entscheiden wir uns, die Etappe von Skodër bis in die Hauptstadt Tirana in einem Tag zu fahren, trotz dem, dass wir im Dunkeln auf dem Campingplatz Dajti ankommen werden.
Bei Einbruch der Nacht, also gegen 17:00 Uhr, fahren wir im Klang des Gebets des Muezzins durch den Feierabendverkehr. Wir fahren durch die Vororte, wo es keine offiziellen Velowege gib, finden uns aber schnell mit den vorherrschenden «Verkehrsregeln» zurecht. Es herrscht das absolute Chaos auf der Strasse, doch da jeder fährt, wie er oder sie Lust hat, passen auch alle auf alle auf und Bertrand hat sich mit dem Velo im Stadtverkehr noch nie so sicher gefühlt wie heute Abend. Im Prinzip gibt es eine Regel zu beachten: Aufmerksam sein! Denn im Stau schleichen die Velos und Mofas zwischen den stehenden Autos hindurch, immer wieder wird auch das Trottoir als Ausweichstelle oder Parkplatz benutzt und wenn es schneller geht, den Kreisel in die andere Richtung zu nehmen, so ist dies eine willkommene Abkürzung. 

Brar, eine Felswand aus einer anderen Dimension, genauso wie der Camping Dajti

Im Camping Dajti werden wir herzlich von Mirra und ihrer Familie empfangen und installieren unser Basecamp für die Klettertage in Brar. Am ersten Tag in Tirana heisst es aber erst mal ausruhen, Fotos aufräumen, Bericht schreiben und vor allem die Veloreifen flicken und Bremsklötze auswechseln. Mirra zeigt uns ihren Garten mit den Hühnern, den beiden Kühen, deckt uns grosszügig mit Gemüse ein und wir dürfen uns am Morgen im Kühlschrank jeweils mit frischer Kuhmilch bedienen. Für Mirra ist es aber eine absolute Kuriosität, dass wir schon eine Weile ein Paar, aber nicht verheiratet sind. Und als wir ihr sagen, dass wir in den nächsten Jahren auch keine Kinder haben werden, entflieht ihrem Mund nur ein «Katastroph!!!» und sie läuft kopfschüttelnd davon. Dies ist jedoch nicht das erste Mal, dass wir diese Reaktion erleben. Wir gewöhnen uns langsam daran, dass wir für die Leute hier aus dem Rahmen fallen. Im Camping Dajti werden wir herzlich von Mirra und ihrer Familie empfangen und installieren unser Basecamp für die Klettertage in Brar. Am ersten Tag in Tirana heisst es aber erst mal ausruhen, Fotos aufräumen, Bericht schreiben und vor allem die Veloreifen flicken und Bremsklötze auswechseln. Mirra zeigt uns ihren Garten mit den Hühnern, den beiden Kühen, deckt uns grosszügig mit Gemüse ein und wir dürfen uns am Morgen im Kühlschrank jeweils mit frischer Kuhmilch bedienen. Für Mirra ist es aber eine absolute Kuriosität, dass wir schon eine Weile ein Paar, aber nicht verheiratet sind. Und als wir ihr sagen, dass wir in den nächsten Jahren auch keine Kinder haben werden, entflieht ihrem Mund nur ein «Katastroph!!!» und sie läuft kopfschüttelnd davon. Dies ist jedoch nicht das erste Mal, dass wir diese Reaktion erleben. Wir gewöhnen uns langsam daran, dass wir für die Leute hier aus dem Rahmen fallen. Hier treffen wir wieder Dilan und Delphine und wir werden die nächsten Tage gemeinsam in Brar klettern. Vom Camping bis zur Felswand sind es circa 6 km Fahrt, der grosse Teil davon über eine Schotterstrasse, die irgendwann in den nächsten Jahren einen Belag erhalten wird. Auf jeden Fall würden heir nur Betrunkene geradeaus fahren. Nach einem Aufstieg über die Steinschlagnetzte erreichen wir die ersten Routen. Und ganz zu Beginn, noch fast über dem Tunnel ragt die bekannteste Route des Sektors herauf: The Dream, 9b, eingerichtet von Adam Ondra und erstbegangen durch Seb Bouin. Und viele Routen im 8. französischen Grad warten noch auf eine Erstbegehung. Der Sektor ist nach Süden ausgerichtet, und sobald sich die Sonne zeigt, wird es schnell sehr warm, auch zur aktuellen Jahreszeit. Wir nutzen die kühleren Stunden zum Klettern, können einige Projekte freiklettern und schleifen unsere Finger an diesen unberührten Sintern. Wenn wir nicht am Klettern sind, nutzen wir die Zeit, um den weiteren Verlauf der Reise zu planen, denn mit der aktuellen sanitären Lage stehen wir vor ein paar offenen Punkten:- Zum aktuellen Zeitpunkt ist nicht klar, ob und wo wir das 6-monate Visa für die USA beantragen können, denn aufgrund der Massnahmen haben viele Botschaften ihr Angebot stark eingeschränkt. Wahrscheinlich werden wir für ein Bewerbungsgespräch zum Konsulat in Istanbul reisen müssen. – Anfänglich wäre der Plan gewesen, mit dem Schiff von der griechischen Insel Kalymnos aufs türkische Festland zu reisen. Da aktuell der gesamte Schiffverkehr zwischen Griechenland und der Türkei eingestellt ist, verlängert sich unsere Reise von geplanten 8 km Schifffahrt auf einen Umweg mit 2’000 km übers Festland. Angesichts dieser zwei unvorhergesehenen Planänderungen müssen wir uns entscheiden, ob wir länger in Brar bleiben wollen, mit dem Risiko, dass wir die Türkei von unseren Reiseplänen streichen müssen, oder ob wir frühzeitig Brar verlassen, um sicher genügend Zeit fürs Klettern in der Türkei und die Visaformalitäten zu haben. Wir entscheiden uns für die zweite Option und haben so sicher die Möglichkeit, mit dem Velo bis nach Datça und Geyikbayiri zu fahren.    

Von Brar bis an die griechische Grenze

Wir verlassen Brar also früher als geplant, sagen Dilan und Delphine tschüss und machen uns erneut auf den Weg. Dieses Mal wartet eine grosse Etappe auf uns: mehr als 1’000 km bis nach Leonidio auf der Halbinsel Peleponnes im Süden Griechenlands.
Anders als bei unserer Ankunft in Tirana können wir für die Abreise von den Velowegen entlang den Hauptachsen profitieren, auch wenn wir immer wieder im Velo-Stau stehenbleiben. Doch je weiter wir uns vom Stadtkern entfernen, desto flüssiger wird der Verkehr, dafür erhöht sich die Anzahl der Schlaglöcher und offenen Gullis. Erst später haben wir erfahren, wie es dazu kommt, dass allen Einlaufschächten am Strassenrand der Rost fehlt: er wurde gestohlen, eingeschmolzen und zu Geld verarbeitet…
Ein Byrek mit Joghurt zur Mittagspause hilft, bei all den Löchern und offenen Schächten konzentriert zu bleiben, während wir an Truthahn-Herden ans Meer fahren. Wir finden die Sandstrände von Durres völlig verlassen vor, einzig ein kühler Nordwind streicht um die eingepackten Strandbars und bringt uns zügig zur Lagune vom Nationalpark Karavasta. Die Lagune ist ein Ökosystem, welches mehr als 250 Vogelarten ein Lebensraum bietet und wir wollen uns diese unvergessliche Landschaft nicht entgehen lassen, auch wenn wir einen kleinen Umweg einlegen müssen. Wir fahren über den Sand der Lagune, über Brücken, deren Statik besser nicht nachgerechnet werden sollte, vorbei an Fischerhütten und verlieren im weichen Sand immer mal wieder das Gleichgewicht. In der Lagune treffen wir vereinzelt auf Fischer und haben das grosse Glück, die wilden Pelikane zu sehen.
Am gleichen Tag noch erreichen wir Berat, ein Städtchen, welches vor mehr als 2’500 Jahren gegründet worden ist und auch «die Stadt der tausend Fenstern» genannt wird. Wir legen hier einen kulturellen Halt ein und lassen uns das traditionelle albanische Essen schmecken. Die nächsten zwei Tage folgen wir dem Fluss Osum, bis zu dessen Canyon oberhalb von Çorovoda, dem wir bis zum Ende folgen.
Auf dem Weg nach Permët liegt nun eine Passstrasse vor uns, die nicht asphaltiert ist und als eine der gefährlichsten Strassen Albaniens angepriesen wird. Wir sind zuversichtlich, ganz im Gedanken, dass es nicht viel schlimmer sein kann als zu Beginn unserer Reise in St. Jurs. (Siehe Teil 1 – Vom Wallis in die Provence) Teilweise erwarten uns extreme Steigungen, doch aufgrund des lehmigen Bodens können wir fast immer fahren. Und die Landschaft, geprägt von den erodierten Hügeln, hilft dabei, die Anstrengungen ein wenig zu vergessen, ebenso die Aussicht, dass wenige Meter unter der Passhöhe ein Café auf uns wartet. Und hierbei handelt es sich wirklich um «das Kaffee am Rande der Welt», einem Ort, wo wir herzlich empfangen und versorg werden. Die reichhaltigen Speisen laden unsere Batterien wieder zur Genüge auf, so dass wir auch bei der Abfahrt auf der Südseite konzentriert bleiben. Zurück auf der asphaltierten Strasse realisieren wir, wie gross unser Glück war: die lehmige Strasse auf der Nordseite hat einen Aufstieg mit dem Velo ermöglicht, während wir auf der Südseite die Velos auf langen Strecken durch den losen Kies hätten schieben müssen, was bedeutend schlimmer gewesen wäre als die Strecke bei St. Jurs. Bei Einbruch der Nacht erreichen wir einen einfachen Campingplatz, lassen diesen anstrengenden Tag bei Donna am warmen Ofen ausklingen und geniessen am nächsten Tag ein entspannendes Bad in den heissen Quellen in Benje. In der Kühle des folgenden Morgens verpacken wir unser Material und folgen dem Fluss Vjosë, dem letzten wilden Fluss Europas, bis zur griechischen Grenze, ganz in Vorfreude auf eine grosse Portion Tzaziki.

Kontakt: info@theotherwayaround.ch