Türkei
Erste Tage in der Türkei und Klettern in Datça
Wir hätten das Klischee nicht besser erfüllen können, denn fürs erste türkische Nachtessen gibt’s einen…? Kebab! Doch nicht wie wir ihn zu Hause am Stand kaufen, sondern auf einem Teller serviert, mit Auberginen und zur Vorspeise Salat und eine Auswahl von Mezze. Dazu wird uns türkischer Raki empfohlen. Schon wieder Raki? Doch wir sind überrascht, als 3 Gläser vor uns auftauchen: eines mit Wasser, daneben eines mit Şalgam (fermentierter Randensaft) und eines mit Löwenmilch: Raki (Traubenbrand mit Anis), der mit Wasser gemischt worden ist und stark an Absinthe erinnert. Und anstelle einer Baklava zum Nachtisch, wird uns in Zucker eingelegter Kürbis serviert, eine seltene aber leckere Spezialität. Nach diesem aufregenden Tag lassen wir den Abend gemütlich ausklingen und wir dürfen bei unserem Kapitän Tomer auf dem Schiff übernachten. Das Wasser gluckst während der ganzen Nacht unter unserem Bett und wirklich gut konnten wir nicht schlafen, doch wir sind glücklich, dass wir nach all dem Warten in Koş doch noch auf dem Seeweg in die Türkei gekommen sind. Am nächsten Morgen laden wir vor den Augen der Küstenwache unsere Velos, verabschieden uns von Tomer, und geniessen auf dem Oberdeck der Fähre die Sonne, während uns das Schiff nach Datça bringt.
Vom Hafen bis zum Datça Basecamp sind es nur einige Kilometer, unsere Ersten auf dem Velo in der Türkei. Auf dem Camping finden wir alles was wir brauchen: eine Gemeinschaftsküche, Dusche, Wasser und einen jungen Hund, der uns jeden Tag zum Klettern begleitet. Was wir jedoch nicht gebraucht hätten, ist, dass dieser Hund jeweils AUF unser Zelt liegt und die Zeltstangen so lange belastet bis sie brechen. Was wir an Ersatzmaterial dabei hatten, haben wir ausgewechselt, den Rest bringt uns Arlines Schwester bei ihrem Besuch.
Der Kletterstil in Datça bietet technische Routen, Überhänge und Tropfsteine. Insbesondere die Routen in der Höhle CanBaba sind unglaublich eindrücklich, und im linken Teil weitgehend nass… auch die Temperaturen und vor allem der Wind sorgen sogar in den Südwänden für kalte Bedingungen. Am Abend sind wir dann jeweils froh, uns am Feuer bei einem Glas türkischen Tee wieder die Finger aufzuwärmen und mit Ulaş, dem Campingbesitzer, zu plaudern.
Der Nordwind, der uns bereits bei der Überfahrt von Koş nach Bodrum gut durchgeschaukelt hat, bleibt hartnäckig und kalt, und nach einer Pause im Städtchen Datça (und einigen degustierten Baklavas später) nutzen wir den Wind bei unserer Weiterfahrt Richtung Antalya.
Nach Geyikbayiri
Die Strasse von der Halbinsel Datça nach Marmaris auf dem Festland führt uns über unzählige Hügel, durch Föhrenwälder und vorbei an kuriosen Felsformationen. Während dem ganzen Tag durchqueren wir nur wenige Dörfer und das Land um uns herum ist wild und einsam. Einzig ein Pferd besucht uns kurz bei unserer z’Vieri- Pause. Auf die letzte Steigung bei Sonnenuntergang folgt uns eine eisige Abfahrt nach Marmaris. An diesem Abend nutzen wir zum ersten Mal die Plattform «Warmshowers», und fahren im Gesang des Muezzins zu einem Velohändler, bei dem wir unser Zelt im Hof aufstellen dürfen. Da die Temperaturen aber ihr 12-jähriges Minimum erreicht haben, lässt uns Tolga in seinem Laden übernachten. Wir sind froh über diese Angebot, ebenso über die warme Daunenjacke, als wir zum Nachtessn in die Innenstadt von Marmaris gehen. Die Steigung am nächsten Morgen bringt Wärme in die Knochen und wir beginnen unsere Fahrt auf dem Pannenstreifen des Highways. Ab hier erwarten uns rund 300 km auf dem Highway, und der viele Asphalt wird schnell sehr monoton. Doch als wir in Köyceğiz am Morgen erwachen, erleben wir eine schöne Überraschung: alles ist weiss! Die Leute sind völlig aus dem Häuschen, denn seit mehr als 25 Jahren hat es hier auf Meereshöhe nicht mehr geschneit. Entlang der Strasse werden auch noch in den folgenden Tagen Picknicks und Schneeballschlachten organisiert, Fotos gemacht und Schneemänner gebaut. Der Kontrast zwischen Meer, Küste und Schnee würde schon fast an Norwegen erinnern, wären da nicht die vielen Moscheen mit den gläsernen Dächern auf den Minaretten, die in der Morgensonne leuchten. Oder die Hirten, die uns Orangen schenken, und uns anschliessend zu einem Glas Whisky-Cola einladen. Das Wetter ist während der ganzen Woche kalt, dafür sonnig, und manchmal können wir dem Highway entfliehen und geniessen die ruhigere Küstenstrasse direkt über dem Meer.
Olympos
Zwischen Datça und Geyikbayiri liegt Olympos, eine antike Stadt und einigen felsen rundherum, die mit Bohrhaken versehen worden sind. Insbesondere der Sektor Cennet ist hier einen Kletter- Besuch wert: die Felswand sieht aus, als habe ein Messer die Wand abgeschnitten und einen Regenbogen drauf projiziert. Die Kletterei auf diesem Kunstwerk in Rot, Orange, Blau und Violett ist sehr technisch und mit einigen Ein-Finger-Löchern ein wahrhafter vertikaler Tanz! Während unserem Halt in Olympos besuchen wir auch die «ewigen Feuer» der Yanartaş (auch Chimera genannt). Gemäss Überlieferungen brennen diese Feuer, genährt aus natürlichem Gas, schon seit der Antike und haben den Seefahrern als Orientierungspunkt gedient. Und an den Pasuetagen sind wir entlang dem Lycian Way, einem türkischen Weitwanderweg, gelaufen oder haben die Ruinen der Antiken Städte Olympos und Phaselis besucht.
Von Olympos bis nach Geyikbayiri ist es eine Tagesetappe mit dem Velo und wir erreichen unsere letzte Destination des ersten Teils an einem sonnigen Nachmittag. Bevor wir aber die letzte Steigung zu unserem Basecamp auf dem Camping JoSiTo in Angriff nehmen, stärken wir uns auf dem Markt in Akdamlar mit einer grossen Portion Gözleme, einer Art türkischer Crêpe, mit knusprigen Teig und auf dem Holzfeuer gebacken.
Geyikbayiri
Bei der Planung haben wir für den Winter die Türkei ausgewählt, da im Februar und März, gemäss Statistik, die Temperaturen angenehm warm und die Niederschläge eher selten sein sollen. Aber eben, gemäss Statistik… Bereits am zweiten Tag nach unserer Ankunft hat es geregnet, drei Tage später hat ein Hagelsturm die gesamte Landschaft gut 10 cm dick mit Hagel weiss eingekleidet, und noch mehrere Tage später sind wir durch die verbleibenden Hagelkörner zum Klettern gelaufen. Eleonore, Arlines Schwester, hat uns in dieser Zeit besucht, in der Hoffnung, den Schweizer Winter gegen eine Woche Sonne und Wärme einzutauschen, aber es war fast kälter als zu Hause. Dennoch konnte Eleonore mit uns die Vielfalt an Felsformationen kennenlernen, und bei den kalten Temperaturen war es sehr angenehm in den Südwänden zu klettern. Hier kamen wir in den Genuss von technischen, ausdauernden Routen, mal mit Tropfsteinen, mal ohne, teilweise auf rotem Felsen und in schwarzen Grotten, in den allermeisten Fällen aber auf griffigem Felsen. Und zum Klettern im Sektor Alabalik (türkisch für Forelle) hat sich uns ein kleiner Hund angeschlossen, den Eleonore sofort ins Herz geschlossen und auf den Namen “Gözleme” getauft hat.
JoSiTo und Geyikbayiri sind für uns fast schon fast ein Zuhause geworden. Insgesamt haben wir sieben Wochen hier verbracht, Leute aus aller Welt sind Freunde geworden und der Gemüsemarkt am Mittwoch und der Pizzaabend am Samstag gaben der Woche einen Rhythmus. Das schlechte Wetter zu Beginn hat sich bis in den März hineingezogen, und hat auch Arlines Gesundheit zugesetzt: sie ist zwei mal krank geworden und hat jeweils fast eine Woche Zeit gebraucht, sich wieder zu erholen. Doch zum Glück stand uns an den Regentagen ein geheizter Aufenthaltsraum zu Verfügung und wir hatten Zeit zu plaudern, Schach spielen zu lernen und einfach zu sein. Und da wir uns jeweils im kleinen Laden gegenüber der Moschee mit Schokolade, Baklava, und allen anderen nötigen Lebensmitteln versorgen konnte, gab es keinen Grund zur Eile, nur zu hoffen, dass das Interview auf der US-Botschaft kein Aprilscherz wird…
Zum Schluss
Die Türkei ist die letzte Etappe des ersten Teils unserer Reise. Wir sind nun schon fast ein Jahr unterwegs, haben viele Länder, Leute und Klettereien kennengelernt und obwohl wir während dieser Zeit nur selten in einer Kletterhalle trainiert haben, konnten wir beide unseren maximalen Klettergrad um ein Plus nach oben schieben. Jetzt ist es an der Zeit, unser Können auf einem anderen Kontinent unter Beweis zu stellen. Bis bald in Kanada!
P.S. Die beste Baklava haben wir im kleinen Laden gegenüber der Moschee in Geyikbayiri gekauft. Keine Ahnung, welche Bäckerei dem Ladenbesitzer dieses Blätterteiggebäck mit Nüssen und Zuckersirup liefert, aber ich hoffe noch viele Kletterer kommen in den Genuss dieser Köstlichkeiten!
Kontakt: info@theotherwayaround.ch